Meine Vorliebe zu klassischer,
romantischer Musik des ausgehenden 19./20. Jahrhunderts
Die klassische Musik bildet seit ca. 30 Jahren einen der wesentlichen Interessenschwerpunkte meines Lebens. Dabei gelangte sie bereits etwa seit meinem 15. Lebensjahr über das ausgefeilte Lernen von Noten und Instrumentenkunde sowie aktiv ausgeübtes Klavierspiel, das ich über mehrere Lehrjahre ebenfalls zu beherrschen gelernt habe, in mein „höheres Bewußtsein“ und wurde nach und nach zu einer fast „wissenschaftlichen Beschäftigung“, die meine Hinwendung auch zu anderen Künsten wie Literatur, Theater oder bildender Kunst noch überflügelt.
Zunächst war es der besondere Zweig der Orgelmusik, die mein Interesse schon seit meiner Oberschulzeit prägte. Ich wandte mich zwar nach einer kurzen Begeisterungsphase für die Orgelmusik Joh. Seb. Bach’s (1685 –1750) von dieser wieder ab, da ich sie als zu schwerblütig, unzeitgemäß und „verstaubt“ empfand, konnte mir jedoch sehr schnell den Zugang zu moderneren Orgel-Kompositionen erschließen und wurde dabei innerlich besonders von den Orgelwerken Max Regers (1873 – 1916) berührt und eingenommen, dessen Werke zwar formal „ähnlich“ denjenigen J.S.Bachs, aber dennoch ungleich „moderner“, „diesseitiger“ und „fortschrittlicher“ klingen. Ab den siebziger Jahren erweiterte sich dieses Interesse auch zur Orchestermusik bzw. symphonischen Werken der Jahrhundertwende und insbesondere natürlich zu denjenigen Max Regers mit ihrer unverwechselbaren, süffigen, schwerblütigen, komplizierten, schwerfälligen Instrumentation - eine Hin- und Zuwendung zu einer eigenartigen, fast einzigartigen Art von Symphonik, die für den „Durchschnittshörer“ undurchschaubar ist, mich dagegen seither emotional stetig begleitet / beflügelt und niemals mehr verlassen hat. Hunderte von Langspielplatten („in Vinyl“) und CD’s zu den Werken Max Reger’s bzw. aus dieser musikgeschichtlichen Epoche insgesamt bilden den Kern meiner musikalisch-medialen Sammlung. Hinzu kommen zahllose Partituren aus seiner bei Breitkopf und Härtel erschienenen Gesamtausgabe, Erscheinungen anderer Musik-Verlage, Fachpublikationen und Essays, Tonband-Mitschnitte und Fernseh-Videos sowie Besuche an Wirkungsstätten des Komponisten (München, Leipzig, Meiningen, Jena) sowie private Studien an der Universität der Künste, Berlin (Prof. Rainer Cadenbach). –
Im Verlauf dieser drei letzten Jahrzehnte ist somit die Beschäftigung mit dem Komponisten Max Reger für mich zu einer Art „hobbymäßigen Geheimwissenschaft“ geworden, und ich betrachte mich durchaus als einen der wenigen „Reger-Experten“ der musikalischen Gegenwart, auch wenn meine musikalischen Studien mehr autodidaktisch und gegenwärtig „nur“ vom steten Besuch musikwissenschaftlicher Veranstaltungen, Symposien und Ausstellungen begleitet sind. Hin und wieder erscheinen kleinere Beiträge von mir in Zeitschriften oder Programmen kultureller Veranstaltungen (zuletzt mein Beitrag :
„Streitpunkt: Die Konzertmusik hat gute Chancen“
in „Philharmonische Blätter“ des Berliner Philharmonischen Orchesters,
Heft 3 der Saison 1999 / 2000, S. 47/48“.)
Abb: Max
Reger (1873 – 1916)
Max Reger (1873 – 1916)......
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......der als hauptsächlicher Nachfolger von Johannes Brahms (1833 – 1897) wirkte, sich aber auch stark an die musikalischen Ausdrucksweisen eines Joh. Seb. Bach’s (1685 – 1750) und (später) Richard Wagner’s (1813 – 1883) anlehnte und alle drei „Richtungen“ zu einem „neuen Stil“ – dem „Reger’schen“ – vereinigte und damit in der Folge die wichtigsten Impulse auch für Arnold Schönberg’s spätere Kompositionsweise der auf zwölf gleichberechtigten (Halbton-)Schritten basierenden „Konstruktion“ „atonaler“ (auch „serieller“) Musik lieferte (Arnold Schönberg: „Ich halte ihn für ein Genie....“)
Max Reger und die „Moderne“
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Die engen geistigen (möglicherweise gelegentlich
auch „unbewußten“) Beziehungen Arnold Schönbergs (1874 –
1951) zu Max Reger sind von stärkeren Gewicht, als sie von heutigen
musikgeschichtlichen Auffassungen vermittelt werden. Entgegen heute in
Fachkreisen häufig geäußerter Ansicht, Gustav Mahler (1860 –
1911) sei im wesentlichen der engste musikalische „Verwandte“ bzw.
„Stilbildner“ in der Entwicklung der musikalischen Sprache Arnold Schönbergs
gewesen, spürt man bei genauerem Vergleich der Tonsprache, Formbildung und
Instrumentation des Orchestersatzes, aber auch der Kammermusik, daß als
„Vorläufer“ zwölftöniger Reihen-Strukturen wohl doch eher der die
Halbtonschritte voll auslotende Kompositionsstil Max Reger’s in Frage
kommt (seine 9. Sonate für Violine und Klavier c-moll op.139 wurde diesbezüglich
in wissenschaftlichen Tondokumenten bezüglich ihrer „quasi-zwölftönig“
angelegten Themen-Vielfalt bereits ausführlich analysiert). Wie Max Reger
neigte auch Arnold Schönberg zum Konstruktionsprinzip der permanenten
Variation, zu kleineren Instrumentalbesetzungen (Kammermusik) und ähnlich-typischen
Satzbezeichnungen bzw. Gattungsformen / Formstrukturen, wie sie bereits in
vorangegangenen musikalischen Epochen üblich und auch schon von Reger
reichlich adaptiert worden waren. Weniger große Klangflächen und
Klanggebilde (außer in seinen „Gurre-Liedern“ oder unvollendeten Bühnen-Tonwerken),
sondern miniaturisierte Klein- und Detailarbeit in übersehbaren Formen und
Besetzungen prägten Arnold Schönberg’s Kompositionsstil. Seine
Variationswerke für Orchester knüpfen im Aufbau und orchestralem Stil
unmittelbar und unübersehbar an diejenigen Regers an.
Der Komponist und Dirigent Winfried Zillig (1905 – 1963), selbst ein Schüler Schönbergs, ist einer der wenigen Musikwissenschaftler, die diesen Zusammenhang treffend erkannt haben: Er hat in seinen musikwissenschaftlichen Veröffentlichungen mehrfach auf die enge Vorbildwirkung Regers für das musikalische Schaffen seines Lehrers Schönberg hingewiesen. Von W.Zillig besitzen wir auch ein schön gelungenes Dirigat des Reger’schen „Symphonischen Prologs“ (op.108) mit dem RSO Berlin (heute: Deutsches Symphonie-Orchester Berlin).
Übersehen wir nicht: Selbst Arnold Schönberg war nur in „seltenen Momenten“ seines Schaffens wirklich radikal und „atonal“ und dies nur in wenigen seiner Werke, insbesondere in seiner früheren bis mittleren Schaffensperiode. Seine unterschwellige Neigung zur Tonalität blieb, teilweise fast „unwillkürlich“, zeitlebens bestehen, je mehr sogar, je älter er wurde: Im Spätwerk näherte er sich dem Ausdrucksstil Regers sogar wieder deutlich spürbar an, ist eine innerliche, auch intellektuelle Verwandtschaft zu Reger unverkennbar. In ähnlicher Weise agierte auch sein Schüler und Weggefährte Alban Berg (1885 – 1935). Seinem Hang zu „heimlichen“ tonalen Eindrücken ließ dieser Komponist (Alban Berg) selbst dann noch freien Lauf, wenn er „offiziell“ Zwölfton-Reihen, oft ebenfalls in Variationsformen, konzipierte: Er legte sie (fast) stets so an, daß im Stimmengewebe der Partituren auch tonale Momente spürbar werden und damit (besonders an Schluss- bzw. Übergangspunkten in Satzgebilden) eine gewisse harmonische „Befriedigung“ des Zuhörers ermöglicht wird (Lulu-Suite, Violinkonzert). Jedem annähernd etwas musikalisch begabten und intellektuell aufnahmefähigen Interessenten an gemäßigter moderner „klassischer“ Musik werden diese Zusammenhänge einsichtig sein.
Folgende Werke Max Regers sind es besonders, die mich für diesen „Großen Meister der Musik“ (Akademische Verlagsgesellschaft Athenaion, Potsdam, 1980 vom Laaber-Verlag übernommen) kompromißlos einnehmen, und zum festen Bestand fortdauernden „Hörens“ über die heimische Stereo-Anlage (im Konzertsaal trifft man auf Reger viel zu selten) gehören:
Sinfonietta
A-Dur, op.90
Violinkonzert
A-Dur, op.101
Hiller-Variationen,
op.100
Hymnus der Liebe, op.136
Variationen und Fuge für Orgel, op.73
Tonaufnahmen von Reger’schen Werken mit bekannten Dirigenten in Berlin sind rar, eine Auswahl sei genannt:
Serenade für Orchester, op.95 Dirigent: Eugen Jochum, Berliner Philharmoniker
Mozart-Variationen, op.132 Dirigent: Karl Böhm, Berliner Philharmoniker
An die Hoffnung, op.124 Dirigent: Claudio Abbado, Berliner Philharmoniker
Klavierkonzert f-moll, op.114 Dirigent: Seiji Ozawa, Berliner Philharmoniker / Peter Serkin
Violinkonzert A-Dur, op.101 Dirigent: Eliahu Inbal Radio-Symphonie-Orchester Berlin / Saschko Gawrilofff
Requiem (Hebbel) op.144b Dirigent: Daniel Barenboim, Staatskapelle Berlin